Programm zur Zeit - Dresdner Neueste Nachrichten (28.02.2022)
Julia Boegerhausen und Björn Bewerich gastierten mit Chansons im Blue Note
Von Beate Baum
Ein Abend im Krieg. Ein Abend, an dem jedwedes Vergnügen unangebracht erscheint, unanständig gar. Aber Chansons, die fast allesamt aus der deutschen Zwischenkriegszeit (werden wir diesen Begriff
in Zukunft auf die Jahre 1945 – 2022 anwenden?) stammen, sind vielleicht genau das Richtige an solch einem Abend. Aus einer Zeit, in der alles im Umbruch war und vieles möglich schien. Bevor dann
das von vielen nicht für möglich Gehaltene geschah.
Julia Boegerhausen hat eine Vita, die allein Seiten füllen könnte: Gelernte Musikerin, Schauspielerin und Pädagogin; Kneipenbesitzerin, Sozialarbeiterin, Theaterpädagogin, aktiv bei „Zittau kann
mehr“. Und mit diversen Gesangsprojekten und verschiedenen Formationen auf den Bühnen Sachsens unterwegs. In dem Görlitzer Björn Bewerich fand sie einen Gleichgesinnten zum Thema „ernste
Unterhaltungsmusik“ - im Blue Note spielten sie nun eine Mischung aus ihren Bühnenprogrammen von „Die 13 Monate“ bis „Fun Wey und Glik“, also von Erich Kästner bis zu jiddischen Liedern und
Anekdoten. Nicht zu vergessen Claire Waldoff und Heinrich Zille. Und Kurt Tucholsky. Und Weill. Also: Ein passender Abend zur Zeit.
Beide sind in Schwarz gekleidet, Bewerich am Klavier bleibt eher im Hintergrund, lässt die Bühne der à la Waldoff rothaarigen Boegerhausen. Überzeugt durch sein Können an den Tasten. Und
Boegerhausen? Sie beherrscht all die Facetten des Chansons: das Selbstbewusste, das Frivole, das Laszive, aber auch das Verhaltene. Und das fast Verzweifelte.
Okay, „Denn wie man sich bettet“ von Brecht / Weill könnte man sich durchaus rotziger vorstellen, auch wäre mehr schauspielerischer Einsatz auch vor der Pause (im zweiten Set erscheint die
Sängerin lockerer) vorstellbar gewesen – andererseits erscheint gerade das Zurückhaltende an einem Abend wie diesem nicht fehl am Platz.
Kann der eher unbekannte Weill-Song „This Time Next Year“ Hoffnung bringen in diesen Zeiten? Zumindest können die aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörer im Blue Note sich in der Gegenwart schon an
der perfekt zur Tonlage passenden Gesangsstimme, an Boegerhausens schöner Modulation, erfreuen.
Absolut anrührend: „Shtilter, Shtiler“, Text von dem Schriftsteller und Partisanen Schmerke Kaczerginski, Melodie von dem 1943 erst elfjährigen Alexander Wolkowski. Mit jener überwältigend
schönen Melodie hatte das Kind einen Wettbewerb des Judenrats im Ghetto Wilna gewonnen.
Es ist ein Abend, der beruhigt und Mut macht. Durch diese widerständigen Lieder. Die einen dann doch auch wieder hoffen lassen: Vielleicht hat die Welt ja noch einmal Masel.
"Die Tränen von gestern
Abend" - von Francis Mohr - 08.05.2022
Dass
Görlitz nimmer Provinz sein kann, bewiesen am 5.5.22 die Görlitzer Julia Boegershausen & Björn Bewerich für einen literarischen Chanson-Abend der Extraklasse in der Alten Feuerwache in
Dresden (zur neuen Reihe METRUM). Für mich war es eine spontane Entscheidung, einen rauen Arbeitstag ausklingen zu lassen und zu einem Gläschen Wein mit guten Freunden Chanson und Piano zu
genießen. Von der kleinen Freilicht-Bühne schwebten Lieder der 20- und 30-er Jahre des letzten Jahrhunderts zum Publikum. Chansons die 100 Jahre überlebten und nicht an der beliebigen
musikalischen Wirklichkeit der Neuzeit scheitern können. Von Kurt-Weill, Erich-Kästner, Tucholsky, Claire Waldoff, jiddische Lieder aus den ehemaligen Schtetln des Ostens, aus Litauen. Julia B.
singt nicht nur, sondern sie inszeniert kraftvoll und sensibel zugleich die Texte. Nie depressiv, eher dezent melancholisch, wie es manches Lied verlangt. Dabei ist ihr Björn B. nicht nur der
Begleiter am Piano, sondern er ist Teil dieser Dramaturgie, in der sich beide ergänzen und ohne den anderen nur lose Hälften wären. Unterhaltsam und ernst zugleich. Hoch professionell. Ein
Geheim-Tipp - so würde der Sachse sagen. Dieser Abend war eine Aufwertung für den Dresdner Kulturbetrieb. Beehrt uns bald wieder. Wir brauchen Euch! A groysn dank!
Julia Boegershausen (Gesang) und Björn Bewerich (Piano) präsentierten Ihr Programm „Lebenslieder“. Ein Programm welches sich der Musik und
Kultur aus den 1920/1930er Jahren widmet, mit Texten und Menschen, welche zum Teil verschwanden, verschwinden mussten oder gar vernichtet wurden. Sie erinnerten dabei u.a. an Claire Waldoff,
Erich Kästner, Mordechaj Gebirtig, Rose Ausländer, Kurt Weill, Bertold Brecht und Alexander Steinbrecher.
Einfühlsam vorgetragen, eroberten die beiden Künstler im Nu die Aufmerksamkeit der Zuhörenden. Die Liedauswahl geschah mit Bedacht und spannte einen
großen Bogen, über das Weltgeschehen bis hin zu angeblichen Kleinigkeiten oder die Liebe. Dass dabei viele der Texte bereits vor einhundert Jahren entstanden sind merkte man ihnen nicht an. Viele
überraschten vielmehr mit einer erschreckenden Aktualität. Stellvertretend sei hier das Lied „Die Welt ist klein geworden“ von Curt Bry und Fred Endrikat genannt. Es war ein nachdenklicher, aber
auch heiterer und vor allem hoch aktueller Blick zurück (nach vorn). Julia Boegershausen präsentierte die Lieder dabei mal leicht und beschwingt, mal eindringlich und fordernd und stets mit
großer Empathie für die Menschen, welche hinter den Liedern standen. Björn Bewerich am E-Piano ist dabei mehr als „nur“ die musikalische Begleitung. Er setzt Akzente, versprüht Atmosphäre und
interagiert mit Boegershausen entsprechend der Handlung der Liedtexte. Dass es sich hierbei auch nicht nur um ein pures Musikprogramm handelte, wurde auch durch die einleitenden Worte im Vorfeld
eines jeden Liedes durch Julia Boegershausen deutlich. Sie nahm die Gäste mit auf eine Reise „zurück“. Das Publikum wusste das Engagement der beiden Künstler zu schätzen und lauschten gebannt den
beiden Künstler, gefolgt von einem warmen, herzlichen Applaus."
Patrick Weißig, Politische Bildung; 13.12.22
Nachdem die Coronaeinschränkungen gottlob gelockert bzw. außer Kraft sind, hat man die große
Freude, Julia Boegershausen und Björn Bewerkh
wieder öfter hören und sehen zu
können.
So gab es kürzlich innerhalb einer Woche zwei sehr unterschiedliche Programme zu erleben:
Brecht-Abend, von Prof. Bodo Voigt gewohnt souverän und lehrreich moderiert,
ausdrucksstark von Julia Boegershausen und Björn
Bewerich musikalisch gestaltet.
Cläre Waldoff-Abend, deren Biografie die beiden Künstler interpretierten und mit den noch
immer aktuellen und witzigen Couplets die Zuschauer begeisterten.
Die enorme Vielseitigkeit von Julia Boegershausen beeindruckt das Publikum immer wieder.
Sie singt nicht nur ihre jeweilige Rolle, sie spieh sie auch. Bei ihren Vorträgen stimmt alles:
Mimik, Gestik und besonders ihre Stimme, die leidenschaftlich, melancholisch oder auch
sanft klingen kann. Je nach Gesangsstück vezaubert sie damlt ihr Publikum und schlägt es in
ihren Bann. Auch ihre Gabe, die unterschiedlichen Dialekte zu beherrschen, vor allem auch
die Jiddische Sprache, ist erstaunlich. Nicht vergessen möchte ich Björn
Bewerich, der Julia
Boegershausen in allen ihren Stilrichtungen
einfühlsam begleitet.
Beiden wünsche ich weiterhin Erfolg und einen größeren Bekanntheitsgrad, den sie
verdienen, denn solche Künstler findet man viel zu selten.
Gabriele Jokiel, Kulturreferentin a.D., 02.08.2022